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Bremsen
Autos bald auf einer Leichtbaukonstruktion? Während heutige
Bremsscheiben aus schwerem, hitzebeständigem Gusseisen
gefertigt sind, könnten die Scheiben der Zukunft aus leichtem
Aluminium bestehen. Das würde Gewicht sparen und damit Sprit.
Zugleich würde sich das Fahrverhalten verbessern, weil die
ungefederten Massen im Fahrwerk kleiner werden. |
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Doch vor
dem Erfolg der Leichtbaubremse gilt es, ein Materialproblem zu
lösen: Aluminium, das gewünschte Baumaterial, ist weich
und für hart zupackende Bremszangen nicht geeignet. Eine
Keramikschicht muss daher die Aluminium-Bremsscheiben
schützen, die Reibarbeit übernehmen und die entstehende
Hitze ableiten. Die Empa entwickelt dieses entscheidende
Bauteil |
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Keramikbremsen sind an sich nichts Neues. Im Sport- und
Rennwagenbau werden sie seit langem eingesetzt. Nur – sie sind
teuer. Beim Porsche 911 etwa sorgen Keramik-Carbon-Bremsen für
einen Aufpreis von schlappen 12‘000 Franken Aufpreis.
Dafür bekäme man fast schon einen kompletten Fiat 500.
Für den Einsatz in preisgünstigen Kleinwagen scheint die
Technik also kaum geeignet. |
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Mehrere technische Hürden auf einmal
Die Empa soll helfen, das unmögliche Wirklichkeit werden zu
lassen: Unter der Leitung des «Politecnico di Torino»
und zusammen mit dem spanischen Bremsenhersteller Fagor Ederlan,
dem liechtensteinischen Lötspezialisten Listemann AG und dem
Fiat Forschungszentrum C.R.F. soll mit Hilfe von Empa-Knowhow eine
neuartige Bremsscheibe für massenproduzierte Kleinwagen
entstehen. Den schweizerisch-liechtensteinischen Forschungsanteil
finanziert die KTI. Die Bremse muss sich in grossen
Stückzahlen rasch fertigen lassen, sie darf nicht teuer sein,
und sie muss mindestens so lange halten wie bisher übliche
Gusseisen-Bremsen. Für den Empa-Keramikspezialisten Jakob
Kübler sind das mehrere technische Hürden auf einmal.
«Zunächst einmal mussten wir nach einem
preisgünstigen, keramischen Material suchen, das Wärme
gut leitet und sich auch gut verarbeiten lässt»,
erläutert der Forscher. Zirkonoxid fällt also aus –
es isoliert zu stark. Siliziumcarbid leitet Wärme gut, bricht
aber zu leicht. Als Grundstoff bleibt einzig: Aluminiumoxid. Der
Stoff ist in vielerlei Keramikbauteilen, vom Wasserhahn bis zum
Hüftgelenk enthalten und preisgünstig zu haben. |
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Daraus
konzipierte Kübler mit seinem Team ein Keramiklaminat –
eine rund zwei Millimeter dünne Keramikplatte, die aus bis zu
15 einzelnen Schichten besteht: Zu den Aluminiumoxid-Schichten
kommt Siliziumkarbid, um die Wärmeleitfähigkeit zu
erhöhen, eine Deckschicht, um den Verschleiss zu regulieren,
eine Haftschicht, mit der die Keramik auf die Alufläche
gelötet werden kann. Jede der Schichten wird als Schlicker mit
Wasser angerührt, dann auf eine Kunststofffolie aufgezogen.
Schliesslich werden die Schichten zusammengepresst, der Kunststoff
dazwischen herausgebrannt und die verschiedenen Schichten bei
mehreren hundert Grad miteinander verbunden und verdichtet. Wie gut
die vertikale Vernetzung funktioniert hat, zeigt dann das
Elektronenmikroskop. |
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Das
Konsortium entschied sich, kleine Kacheln zu fabrizieren, die
nebeneinander – wie Badezimmerkacheln – auf die
Bremsscheibe aufgelötet werden. Der Grund: Bei Hitze dehnt
sich Aluminium drei bis vier Mal mehr als die Keramik. Ein
einteiliger Keramik-Bremsbelag würde also aufgrund von
Spannungsrissen vom Alu-Träger abfallen. Doch auch mit kleinen
Kacheln ist das Festlöten kein triviales Problem: Alu schmilzt
bei knapp 700 Grad, daher muss die Lötung bei tieferen
Temperaturen geschehen. Trotzdem darf das Lot auch bei einer
Notbremsung nicht weich werden, sonst fallen die Kacheln genau dann
ab, wenn man sie am nötigsten braucht. |
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Ein
einziger Keramik-Mix genügte also nicht. Kübler und sein
Team müssen immer wieder auf Feedback der Lötspezialisten
aus Turin eingehen, die Mischung der Keramik weiter optimieren und
neue Proben liefern. Dabei muss er schon bei der Konzeption auf die
Kosten achten: Teure Verfahren, etwa im Vakuum oder unter
Schutzgas, gilt es zu vermeiden – die wären nicht
tauglich für die Massenfertigung |
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Die
Listemann AG in Vaduz entwickelt unterdessen die spezielle,
industriegeeignete Fügetechnik zum Festlöten der Kacheln.
Der Bremshersteller Fagor Ederlan konzipiert das Bremssystem aus
Aluminium und die nötigen Dimensionen der Bremsscheibe. Am
Ende des Projekts – im April 2015 – steht ein Prototyp
der «Forscher-Bremse», die dann auf
Bremsprüfständen auf Herz und Nieren geprüft werden
und anschliessend in ein Versuchsfahrzeug integriert werden kann.
Wenn sie sich bewährt, entsteht in den nächsten Jahren
daraus ein Serien-Bauteil, das europäischen Autos einen
Vorsprung auf dem Weltmarkt verschafft. |
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Die
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