Bildquelle: Winrockindia
Die Jatropha-Pflanze - auf Deutsch Purgiernuss - hat im
Tropengürtel der Erde zum Siegeszug angesetzt: Ein
Wolfsmilchgewächs, das sauberen Biotreibstoff liefern soll,
ohne dass dabei die Nachteile heutiger Energiepflanzen
auftreten.
Im Gegensatz zu Raps, Mais, Palmöl oder Zuckerrohr ist die
Purgiernuss ungeniessbar, ja sogar giftig. Damit vermeidet Jatropha
den Konflikt «Tank oder Teller», der die anderen
Biotreibstoffe in Verruf gebracht hat. Zumal die Pflanze selbst
dort noch wuchert, wo sonst kein Kraut mehr wächst: Zur Not
reichen ihr 300 Millimeter Regen im Jahr. Sie gedeiht auf Öd-
oder Brachland und nimmt somit keine Flächen in Beschlag, auf
denen Nahrungsmittel wachsen könnten.
Zugleich steckt im Jatropha-Samen eines der hochwertigsten
Pflanzenöle, das je in einem Tank gelandet ist. Eine
Aufbereitung ist nicht zwingend nötig, Motoren und Generatoren
verlangen nur kleine technische Veränderungen, damit sie das
Jatropha-Öl schlucken. Angesichts dieser Chancen erlebt die
Pflanze einen regelrechten Boom.
Licht für indisches Dorf
An der Empa will die Abteilung «Technologie und
Gesellschaft» herausfinden, ob Jatropha die Erwartungen
erfüllen kann. Ein halbes Jahr lang nahm der
Umweltwissenschaftler Simon Gmünder, noch im Rahmen seines
Zivildienstes, verschiedene Jatropha-Projekte in Indien unter die
Lupe. Zum einen wird versucht, mit kleinen Kraftwerken in
entlegenen Siedlungen Strom zu produzieren. Gmünders
Ökobilanz gibt der Pflanze hier hervorragende Noten. Zum
anderen geht es um die Frage, ob sich auch ein grossflächiger,
intensiver Anbau der Energiepflanze lohnt. Hier bleiben aus
ökologischer Sicht noch Fragezeichen.
Seit April 2007 erhellen Glühbirnen und Strassenlaternen die
Nacht von Ranidehra, einem entlegenen Dorf im indischen Bundesstaat
Chhattisgarh. Drei Generatoren brummen im nagelneuen Dorfkraftwerk.
Für die Treibstoffversorgung wurden 25'000 Jatropha-Setzlinge
an Feldrainen und entlang von Wegen gepflanzt. Eine Filterpresse
extrahiert das Öl vor Ort aus den schwarzen Samenkapseln.
Ranidehra hat nun immerhin für vier Stunden am Tag Strom.
Auch Jatropha braucht Ressourcen
Doch auch die angebliche Wunderpflanze liefert ihr Öl
nicht zum Nulltarif. Die Setzlinge mussten in das entlegene Dorf
transportiert werden, für das Kleinkraftwerk wurde ein
Generatorenhäuschen gebaut, ausserdem mussten Strukturen
geschaffen werden, um das Dorfstromnetz zu verwalten.
Bei genauerem Hinsehen ist die Purgiernuss auch nicht ganz so
anspruchslos: Eine gewisse Menge Wasser und Dünger sind
nötig, um die Setzlinge zu Früchte tragenden Büschen
hochzupäppeln. Und obwohl die meisten Schädlinge Jatropha
verschmähen, müssen sie zumindest vor Termiten
geschützt werden. Ganz ohne Pestizide geht es also nicht. All
diese Grössen schlagen sich in der Ökobilanz
nieder.
Allein der Bau des Generatorenhäuschens geht zwangsläufig
mit Flächenverbrauch und Umweltverschmutzung einher.
Düngemittel und Energie waren nötig, um das Dorfkraftwerk
zum Laufen zu bringen.
Dennoch scheint das Ergebnis denen Recht zu geben, die in der
Pflanze gern die Lösung unserer Energieprobleme sehen.
Gmünder stellt dem Nuss-Kraftwerk von Ranidehra ein
hervorragendes Zeugnis aus: «Unsere Studie zeigt: Jatropha
schneidet viel besser ab als Dieselgeneratoren oder ein Anschluss
des Dorfes ans nationale Stromnetz.» Das heisst: Ein
Dieselaggregat, für das der Brennstoff mühsam per Traktor
herangekarrt werden müsste, oder ein Netzanschluss schadet der
Umwelt wesentlich mehr als das mit Nussöl befeuerte
Kleinkraftwerk.
Forscher schlagen Verbesserungen vor
Das Jatropha-Kraftwerk könnte noch wesentlich besser
abschneiden. Doch bei der Samengewinnung begehen die Dorfbewohner
aus ökologischer Sicht einen entscheidenden Fehler. Um an die
schwarzen Kapseln zu kommen, werden die Jatropha-Früchte mit
Dampf erhitzt; das Feuer dazu wird noch mit Holz geschürt. Das
setzt Feinstaub frei. Deswegen kostet dieses Holzfeuer das
Jatropha-Kraftwerk in Ranidehra entscheidende Punkte in der
Ökobilanz. Bei Verzicht auf Holzverbrennung wäre Strom
aus Jatropha praktisch genauso gut wie Solarenergie.
Das jedoch nicht, wenn die Pflanze auf Grossplantagen angebaut
wird. Dafür erstellt Gmünder zusammen mit indischen
Kollegen derzeit ebenfalls eine Ökobilanz. Noch liegen nicht
alle Daten vor, doch es deute sich an, so Gmünder, dass
Jatropha dabei schlechter abschneidet als im dezentralen
Dorfkraftwerk in Ranidehra.
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